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Der Gefreite greift mühsam nach seinem Gewehr, ein Schweißtropfen rinnt ihm ins Auge.
„Jetzt machen sie schon! Vorwärts!“
Eine graue Masse rennt wie von der Tarantel gestochen los, der Gefreite streicht sich durchs Gesicht und greift absichtlich unbeholfen nach seinem Gewehr.
„Jawohl, Herr Leutnant“
Ihm wird schlecht als er aufspringt, es flackert vor seinen Augen. Er rennt mit. Er brüllt irgendetwas, er weiß es selber nicht. Das Prasseln aus der Ortschaft wird immer deutlicher, Verwundete schreien. Die ganze Kompanie rennt nun auf die Ortschaft zu, in einem großen hellen Haus erkennt man zwei Gestalten hinter einem Fenster. Der Feldwebel kneift die Augen zusammen.
„Feind-MG voraus!“
Der rothaarige Jüngling will eine Handgranate ziehen, doch dazu kommt er nicht mehr, er wird buchstäblich zersägt.
Der Gefreite schmeißt sich zu Boden, zielt auf das Fenster. Der Abzug klebt, er muss einmal nachladen. Das Prasseln hört schlagartig auf. Die Männer schauen sich verwundet an, ein Rauschen ist zu vernehmen, ein dumpfes Rauschen, nicht wie von einem Bach oder Fluss.
Schreie. Hastig rennen einige Sanitäter das Feld ab.
„Wie heißt das Scheißkaff hier überhaupt?“, tönt es von irgendwo her. Der Offizier greift erneut nach seinem Feldstecher. Der Feldwebel räuspert sich verlegen.

Die Nacht flieht rasch, der Geschützdonner hat sie womöglich vertrieben. Mit trotzigem Stolz erheben sich die Häuser aus der Dunkelheit und geben sich dem Betrachter zu erkennen. Rote Klinkerfassaden, steil und spitz. Üppige Vorgärten, Tulpen verzieren den Anblick. Einige Häuser haben weiße Fahnen aus dem Fenster gehängt. Bei genauem Hinsehen entpuppen sich viele davon als Betttücher. Betttücher, als habe man sich in der Eile und dem mörderischen Tempo nichts anderes bedienen können. An das Haus mit dem größten Betttuch ist etwas in großen orangefarbenen Lettern geschrieben. Große Buchstaben, aber man kann es nicht erkennen. Diese Buchstaben, sie grinsen mit einer schauderhaften Fratze.
„Die haben sich verschanzt, der Regimentsstab meldet, dass sich eine ganze Horde von denen noch im Dorf befindet.“
Der Feldwebel verkneift sein Gesicht.
Ein Gefreiter hat sich den Stahlhelm abgenommen um sich den kahlrasierten Hinterkopf zu kratzen. In der Hocke harrt man aus. Es ist heiß, feiner Staub schwebt förmlich auf dem harten Sandweg.
Ein rothaariger Jüngling schaut ängstlich.
„Wie stark wird der Feind sein, Herr Feldwebel?“
„Das wissen wir noch nicht, mein Junge“
Es klappert, schnelle Schritte sind zu vernehmen. Ein Offizier nähert sich im Laufschritt, seinen Oberkörper nach vorne gebeugt.
Er keucht.
„Wie ist die Lage, Feldwebel?“
„Der Regimentsstab meldet, dass der Feind sich im Dorf verschanzt hat, Herr Leutnant. Keine schweren Waffen, aber es könnte ein Hinterhalt sein.“
Die langen Finger des Leutnants ertasten den Feldstecker, hastig hält er ihn sich ins Gesicht.
„Können sie was erkennen, Herr Leutnant?“
Jemand zündet sich eine Zigarette an, hustet. Eine Amsel zwitschert.
„Machen sie sofort ihre Zigarette aus!“
“Jawohl, Herr Feldwebel“. Er knurrt etwas, man kann es nicht verstehen.
In der Ferne donnern die Geschütze.
„Können sie was erkennen, Herr Leutnant?“
Es rummst, der Gefreite zuckt zusammen, ein Vogelschwarm steigt rasant in die Höhe. Der Einschuss schien wohl nicht all zu fern.
„Herr Leutnant?“
„Nichts! Gar nichts. Der Regimentsstab muss sich wohl geirrt haben, da ist niemand. Alles friedlich.“
Dem Gefreiten schmerzt die Hand, er lässt das Gewehr los und legt es sachte ins Gras.
„Alles friedlich“

Ein lautes ohrenbetäubendes Prasseln zerreißt die Stille. Es staubt, Schreie.
„Männer, alles bereit machen zum Sturmangriff. Los, Marsch!“

 

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